Die Nebelkerzen des türkischen Diktators
Erdowahn
Das Talent der Selbstinszenierung des türkischen Diktators Erdogan ist
beachtlich. Aber glauben darf man ihm nur wenig, vor allem wenn er seine Gegner
in die Terroristenecke stellt. Das sich berufen auf den vermeintlichen
Volkswillen ist ein Charakteristikum von autoritären Persönlichkeiten, so wie es
Erdogan bei der Todesstrafe tut. In einem wahren und brutalen Rachefeldzug hat
Erdogan tausende Gegner festnehmen lassen um Säuberungen durchzuführen. Dass
Festgenommene auch gefoltert wurden zeigten Bilder, die man im Fernsehen
sah.
Auszug aus der ZEIT.
Seit dem gescheiterten Umsturzversuch vor zehn Tagen hat die Regierung
Tausende Staatsbedienstete entlassen oder festnehmen lassen. Sie sprach von
einer „Säuberungsaktion“ gegen die mutmaßlichen Beteiligten des Putsches.
Darunter befinden sich Richter, Lehrer, Mitglieder der Armee oder Angestellte
von staatlichen Einrichtungen. 15 Universitäten, 934 Schulen und 109
Studentenheime wurden bislang geschlossen, teilte die staatliche
Nachrichtenagentur Anadolu mit. Auch Hunderte Gesundheits- und
Sozialeinrichtungen seien dicht gemacht worden. Die Regierung will außerdem die
Struktur der Armee ändern. Dazu hat Regierungschef Binali Yıldırım unter anderem
bekannt gegeben, dass die Präsidentengarde aufgelöst werde.
Amnesty International wirft Erdogan und der Türkei Folterungen vor.
Amnesty: „Glaubhafte Beweise“ für Folter von Festgenommenen in der
Türkei
„Gefangene würden von der türkischen
Polizei in Ankara und Istanbul „in schmerzhaften Positionen über einen Zeitraum
von bis zu 48 Stunden“ festgehalten, erklärte ai in London. Es gebe Fälle von
Schlägen, Folter und Vergewaltigung. Amnesty-Europadirektor John Dalhuisen rief
die türkischen Behörden auf, „diese abscheulichen Praktiken“
einzustellen.“
Hier ein Interview der Tagesschau mit Burak Copur,
Politikwissenschaftler.
„Erdogan hat viele
Nebelkerzen geworfen“
Was ist von Erdogans Aussagen im ARD-Interview zu
halten? Der Türkei-Experte Copur überprüfte die Aussagen im Gespräch mit
tagesschau.de. Das
Ergebnis: In manchen Punkten hat der Präsident recht – aber in vielen anderen
nicht.
tagesschau.de: Wie hat das Interview auf
Sie gewirkt?
Burak Copur: Erdogan machte auf mich
einen sehr aufgeräumten, gelassenen, selbstsicheren und wie immer
angriffslustigen Eindruck. Sich als einen souveränen Staatsmann – besonders in
Krisenzeiten – in den ausländischen Medien zu präsentieren, ist eine ganz große
Stärke und zugleich eine eingeübte Masche von ihm. Er ist wirklich ein Meister
der Selbstinszenierung. Nebenbei hat er viele Nebelkerzen geworfen. Mich würde
es nicht wundern, wenn viele Zuschauer nach dem Interview gedacht haben: „Ach,
so schlimm ist der Erdogan doch gar nicht.“
tagesschau.de: Im Gespräch pochte er
zumindest immer wieder auf den Rechtsstaat. So besteht Erdogan darauf, dass etwa
die Entlassungswelle in Militär und Staatsapparat, die auf den Putschversuch
folgte, rechtsstaatlich gedeckt sei. Hat er recht?
Copur: Wenn man 65.000 Menschen ohne ein
anständiges Verfahren auf die Straße setzt oder verhaftet, dann hat das wenig
mit einem rechtsstaatlichen Verfahren zu tun.
Er herrscht eine
Willkürjustiz, aber Erdogan kann sich auch in der Türkei auf geltende Gesetze
und Verordnungen berufen, die aus der Putschverfassung von 1982 stammen – und
die ist alles andere als demokratisch. Erdogan nutzt nun diese Gesetze und
Institutionen der Putschverfassung, um seine Kritiker zu verfolgen und mundtot
zu machen.
tagesschau.de: Erdogan behauptet,
sichere Erkenntnisse darüber zu haben, dass die Gülen-Bewegung hinter dem
Putschversuch steht. Ist das aus Ihrer Sicht glaubwürdig?
Copur: Ich gehe schon davon aus, dass
Gülenisten in den Putsch verwickelt waren. Ich denke allerdings nicht, dass die
Bewegung der alleinige Drahtzieher war. Hinter dem versuchten Staatsstreich
stand wohl eher eine Dreierkoalition aus Gülen-Anhängern, Kemalisten und
ausgegrenzten Militärangehörigen.
tagesschau.de: Beim Thema Terrorismus
sprach der türkische Präsident vor allem über die PKK. Diese werde auch in
Deutschland unterstützt, sagte er. Kann sich die PKK hierzulande wirklich frei
bewegen?
Copur: Das
ist ein unhaltbarer Vorwurf. Erdogan hat nach bewährter Manier im Gespräch
versucht, sich als Anti-Terrorkämpfer zu verkaufen. Doch Deutschland ist kein
Hort des Terrorismus und schaut auch bei der PKK nicht einfach weg. Deren
Unterstützer werden hierzulande mit rechtsstaatlichen Mitteln beobachtet und zur
Verantwortung gezogen.
Diese Denunziation
ist vor allem ein Ablenkungsmanöver. Denn der Terror, der die Türkei seit
Monaten immer wieder erschüttert, ist hausgemacht. Erdogan unterstützte lange
Zeit nicht nur die führenden Köpfe der Gülen-Bewegung, sondern auch den
IS-Terror und beendete aus purem Machtkalkül die Friedensverhandlungen mit der
PKK. Jetzt, da die Zahl der Anschläge immer mehr zunimmt, versucht er, den
Europäern die Schuld dafür in die Schuhe zu schieben. Das ist eine unglaubliche
Manipulation und Propaganda des Erdogan-Regimes, die man entlarven
muss.
tagesschau.de: In der Frage der
Wiedereinführung der Todesstrafe beruft sich Erdogan auf den Willen des Volkes.
Wie passt das zum zunehmend autoritären Amtsverständnis des Präsidenten?
Copur:
Das passt hervorragend zusammen und die Berufung auf den vermeintlichen
Volkswillen ist ein Charakteristikum von autoritären Persönlichkeiten. Doch wenn
Erdogan vom „Volk“ spricht, redet er stets über seine Anhänger und nicht über
seine Kritiker, die er massenweise verfolgen und einsperren
lässt.
Die Einführung der Todesstrafe hätte außerdem nichts mehr
mit europäischen Werten zu tun. Es wäre der endgültige Abschied von der EU. Dass
Erdogan innerlich diesen Abschied sowieso längst vollzogen hat, wurde auch im
Interview deutlich. Schließlich verwies er darauf, dass die Todesstrafe
außerhalb Europas nach wie vor üblich sei. Das ist natürlich richtig, aber dass
er sich nun explizit andere Länder als Vorbild nimmt, zeigt, wie weit er sich
bereits von den Prinzipien der EU entfernt hat.
Hier weiterlesen:
.Gruß Hubert
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